Fachtagung Naumburg 2017

Petra Karrasch                                                                                                                      KIRCHHÖFE ZWISCHEN SUBSTANZVERLUST UND GESTALTUNGSWILLEN*

Friedhöfe gehören zu den stärksten Inneren Bildern des Menschen, gespeist aus Märchen und dem Amalgam aus bildender Kunst, Religion, Literatur, Film und Musik, aus Deutscher Romantik und Ritualen, aus Reiserlebnissen und der eigenen Betroffenheit  als Trauernde. Feine Antennen signalisieren, wenn da etwas in Bewegung gerät.

Mit einem Male liegen historische Grabsteine zum Haufen getürmt und Abtransport bereit. Flächendeckende Baumfällungen sorgen für Beunruhigung. Kurzer Hand wird eine historische Toranlage abgerissen. Baumarktelemente ersetzen die vertraute Feldsteinmauer. Brachflächen wuchern durch das Areal. Aber auch das gehört zur Wirklichkeit. Wildblumenwiesen werden angelegt, Besucher treffen auf einladende Verweilorte, Konzerte erklingen unter uralten Bäumen, historische Friedhofsmauern werden wieder aufgebaut oder nicht mehr genutzte Kapellen laden zum Trauercafé ein.

Es kann nicht überraschen, dass der Blick der Fördervereine für die kirchlichen Baudenkmale und Kunstschätze irgendwann auf die Kirchhöfe, auf deren Defizite aber auch auf deren Potential fällt.

Der VDKSA und seine Mitgliedsvereine kamen im April in Naumburg mit kirchlichen Friedhofsbetreibern und Ehrenamtlichen, Touristikern und Heimatpflegern, Kunsthistorikern und ökologisch Passionierten, dem Landesdenkmalamt, der Mitteldeutschen Landeskirche und dem Landesheimatbund zusammen, um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Entwicklungen von Kirchhöfen vorzunehmen, um kreative und zukunftsfähige Lösungen kennenzulernen, Handlungsbedarf zu benennen und Grundlagen für gemeinschaftliches Handeln auszuloten.

Kirchen und ihre Kirchhöfe sind unser gemeinsames Kulturerbe

Während im 16. Jahrhundert in den Städten die Begräbnisstätten allmählich aus Kirchen und Kirchhöfen auf den Gottesacker am Ortsrand verlagert wurden, sind in den Dörfern viele Kirchhöfe aktive Bestattungsorte bis heute geblieben. Historische Zeugnisse, einstige Gestaltungsideen und botanische Besonderheiten konnten hier überdauern. Auf dem Dorf durften die Dinge lange so bleiben, wie sie immer waren.

Eingelassen in Kirchenmauern künden Epitaphe noch immer von der Bestattungskultur der Renaissance und vor allem von der Barockzeit. Deren Formensprache ist bis in unsere Tage flächendeckend in Gestalt von Fragmenten, Einzelgrabdenkmalen oder komplexen Grab- und Gruftanlagen erhalten. Historische Friedhöfe, wie die von Merseburg, Halle, Eisleben oder Baasdorf, zeigen darüber hinaus die historischen Prinzipien für die Komposition ganzer Friedhofsanlagen.

Das 18. Jahrhundert brachte, wie beispielsweise auf dem Unteren Johannisfriedhof in Zeitz zu sehen, allmählich neue Darstellungsformen in die Grabgestaltung. Es entstanden ein beeindruckender, vielfach allegorischer Figurenreichtum, Tafeln mit poetischen Texten, Säulen und steinerne Urnen. Wenig später entstanden neue Szenerien für die Orte der Ewigkeit auf Kirchhöfen. Die Malerei der Romantik hat sie unsterblich gemacht.

Die Gartenbaukunst schuf beeindruckende  Anlagen mit Kapellen, Wegesystemen, unterschiedlichen Friedhofsräumen, Pflanzengemeinschaften aus Hecken, Solitären und Baumreihen. Einzigartig ist die künstlerische und handwerkliche Qualität von Mausoleen, Grabmalen und Bildwerken. Dies fand im 19. Jahrhundert seine Fortsetzung und Anpassung. Bevölkerungswachstum, einsetzende Säkularisierung, erste Feuerbestattungen und Eigentumsübergänge in kommunale Hand veränderten das Gesicht der Friedhöfe. Sonderformen des Gedenkens, wie Kriegsgräberanlagen, Gefallenendenkmale, Einzelgedenkorte für Persönlichkeiten oder historische Ereignisse entstanden. Park- und Waldfriedhöfe, wie z. B. der Leipziger Südfriedhof, der Waldfriedhof von Droyßig oder Sonderformen, wie der Freidenkerfriedhof von Haynsburg entstanden. Eiserne Grabkreuze erinnerten nun an die Verstorbenen. Das Bürgertum demonstrierte mit beeindruckenden Gruftkapellen, Grabmalen und Bildwerken gesellschaftlichen Rang, Kunstsinn und Zeitgeist. Die Anlagen wurden zu Kleinoden der Garten-und Landschaftsbaukunst und zu Refugien der Artenvielfalt, Naherholung, der Geschichts- und Kunstbetrachtung sowie Naherholung. Orte für die Lebenden. Als Gärten der Melancholie sind sie in unser Bewusstsein und in unsere Kulturlandschaft eingeschrieben. Im Kleinen ereigneten sich die Veränderungen auch auf manchem dörflichen Friedhof.

Wenn Theodor Fontane meint, ein jedes Dorf habe seine sieben Schönheiten, so gehört zweifellos der Kirchhof dazu. Kirchhöfe sind mit ihren speziellen topographischen und naturräumlichen Gegebenheiten, mit ihren botanischen Besonderheiten und ihrer Fauna, mit regionaltypischen Baumaterialien und Bauweisen, mit handwerklichen und künstlerischen Handschriften, mit der historischen Ensemblegestaltung in der Dorfmitte einzigartig und schön. Sie tragen zur Unverwechselbarkeit der Ortsbildes und der Kulturlandschaft bei. Sie wirken im Heimatgefühl und der kulturellen Identität fort.

So wundert es nicht, wenn die Kirchhöfe mehrheitlich unter Denkmalschutz gestellt sind. Der Denkmalschutz erfasst das Baudenkmal Kirche mit seiner Ausstattung und den Denkmalsbereich. Dazu gehört der Kirchhof. Dorfkirchen sind gemeinsam mit ihren Kirchhöfen ortsbildprägend und daher auch von kommunalem Interesse.

Als Heike Tenzer(Expertin für Gartendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes) dies in ihrem Beitrag ausführte, entstand Unruhe im Auditorium. Die meisten Teilnehmer vernahmen ungläubig, dass womöglich auch ihr Friedhof unter Denkmalschutz stehen könnte. Dem Schutz unterliegen die Elemente und Merkmale der historischen Kirchhofanlage: Grabsteine und-male, Grabeinfassungen mit Säulen, Gittern und Ketten, Kapellen, Tore und Mauern, Wege- und Gliederungssysteme, Bäume, Sträucher, Hecken und auch efeuüberwucherte oder einsinkende Objekte, Fragmente und Areale.

Dennoch geht in Dörfern die historische Gestaltung und Ausstattung der Friedhöfe schleichend, kaum reflektiert und öffentlich wahrgenommen, verloren. Das betrifft stillgelegte und aktive Friedhöfe gleichermaßen. Schließlich trifft in den meisten Dörfern Kulturerbe auf schwächer werdende Kirchgemeinden und einen tätigen „Wirtschaftsbetrieb“. Die Kirchgemeinden, seien sie noch so klein, müssen ihre Friedhöfe kostendeckend führen. Der bemerkenswerte Pflegezustand vieler Grabstellen kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der Veränderungsdruck längst da ist. Unaufhaltsame gesellschaftliche Umbrüche in der Trauer- und Bestattungskultur, neue Vorstellungen von einem individuellen und zeitgemäßen Bestattungsort, Wandlung der Lebensstile, Säkularisierung, Bevölkerungsrückgang, Gebührenniveaus aus längst vergangenen Tagen und schrumpfende Gemeinden stellen das herkömmliche Betriebsmodell des kirchlichen Friedhofs infrage. Wirtschaftsbetrieb und Kulturerbe stehen nicht automatisch in einer gedeihlichen Koexistenz. Das ist eine Seite.

Die andere Seite ist, dass immer öfter die historische und kulturelle Bedeutung der Kirchhöfe in den Focus gelangt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn umfassende Kircheninstandsetzungen mit behutsamer Nutzungserweiterung realisiert werden und von Anfang eine Offene Kirche mit einem nennenswerten Kultur- und Bildungsangebot angestrebt wird. Dann ist sofort der Kirchhof als „Visitenkarte“, als Empfangs-, Begegnungs- und Veranstaltungsraum mit im Blick. Dann richtet sich die Aufmerksamkeit auch auf seine historische, architektonische, künstlerische und botanische Ausstattungsqualität. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Fördervereine inzwischen auch auf die Kirchhöfe, seien sie stillgelegte oder noch aktive Friedhöfe.

Die Akteure stoßen dann jedoch auf strategische und konzeptionelle Defizite auf der Betreiberseite. Die ehrenamtlich Verantwortlichen für das Bestattungswesen fühlen sich nicht hinreichend gerüstet. Es fehlen die Ideenwerkstätten, Interessen- und Zielformulierungen sowie Entwicklungskonzeptionen und Beratungsangebote(bezahlbar versteht sich).Die wären auch Voraussetzung für Projekte der Kirchgemeinden mit spezialisierten Landschaftsplanern oder für die Entscheidungsvorbereitung ob, wann und wie ein Friedhof Nutzungserweiterungen erfahren soll, weiter betrieben, stillgelegt oder in kommunale Hand überführt werden soll. Kirchhöfe können nicht ohne Kirche und Gemeindeleben und auch nicht ohne Dorfleben gedacht werden.

Kirchhöfe als steinerne Kunstsammlungen, Geschichtsbücher und ökologische Refugien

Kirchhöfe sind letzte Ruhstätte, Orte der Trauer- und Erinnerung sowie der seelsorgerlichen Begleitung. Kirchhöfe sind aber auch die grünen Entrees der Dorfkirchen. Sie erzählen wortlos über die Vergangenheit aber auch über die aktuelle Verfassung einer Kirchgemeinde und deren Zukunftsfähigkeit.

Jeder Kirchhof steht jedermann offen für Kunstbetrachtungen. Gräber und Grabfragmente, Grüfte und Mausoleen, Mauern, Tore, Wappen, Inschriften, Mahnmale und Kapellen erzählen über die Vorfahren, über Architekten und Künstler, über Epochen, Stile, Moden, über Materialästhetik oder über die Garten- und Landschaftsgestaltung. Sie künden von Bildhauerei und der Arbeit der Steinmetze. Die Betrachtungen erlauben Brücken zu schlagen zur Musik, Malerei und Bildenden Kunst. Oder Kirchhöfe entfalten ihre Magie im Verfall – verwunschen und schön. Spickendorf, Holleben oder der Wüstung Treben bei Dehlitz a.d.S. geben ein Beispiel dafür.

Deshalb wird um das Bewahren und dort wo notwendig, um die Neuinszenierung an einem neuen Standort gerungen. Oder es wird ein gelenktes Verwildern ermöglicht. Im Idealfalle leisten Freiwillige Forschung, Information und Führungen gerungen.

Der Altstadtverein von Merseburg engagiert sich für den historischen Friedhof St. Maximi ein großer Bürgerverein für den Johannisfriedhof in Jena. Im kleinen Horburg gibt es gute Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Familien. Sommerliche Denkmalswerkstatt-Tage machen bekannt mit Kirche, Kunst und Kirchhof.

Ein historischer Schatz ist der Kirchhof von Baasdorf mit seinen barocken Grabsteinen und Mausoleen. Sie zeugen vom Wohlstand und Repräsentationsbedürfnis der einst wohlhabenden Bauern des Dorfes. Kirchhof und Kirche waren bereits aufgegeben und ruinös geworden, bis die Kirchgemeinde die Entscheidung für eine Wiederbelebung fällte. Eine umfassende Kirchensanierung mit Nutzungs- und Funktionserweiterung wurde konsequent verbunden mit einer neuen Konzeption und Gestaltung für den großen Kirchhof, der nun in einen Park der Stille mit den historischen Gräbern und einen Park des Lebens mit Freiflächen für Feste und Kunstaktionen gegliedert ist. Im Park der Stille wird es auch Areale für die erwünschte Verwilderung geben. Zeitweilig oder auf Dauer könnte sich die auch auf manche der historischen Grabkapellen erstrecken. Abbildung Baasdorf Gräber oder und Planungsdokument.

Ohne Förderverein(Nietzsche Verein Röcken e.V.)und sein Zusammenwirken mit der Kirchgemeinde Lützen wäre die wachsende Anziehungskraft von Röcken nicht denkbar. Seit jeher besuchen die Eingeweihten aus aller Welt die Geburtsstätte und das Grab von Friedrich Nietzsche. Allmählich entfaltet sich jedoch ein bemerkenswertes Kultur- und Geistesleben in dem Ensemble aus Kirche, Kirchhof, Grabstätte, Pfarrhaus- und Pfarrgarten und Ausstellungszentrum. Die Skulpturengruppe Bildhauers Claus F. Messerschmidt „Röckener Bacchanal“ bewegt seit 2000 ihre Betrachter. Noch ein Geheimtipp ist Röcken auf dem besten Wege zu einem der kleinen und feinen Kulturorte zwischen Leipzig, Halle, Naumburg und Jena zu werden. Von Röcken könnte eine Ermutigung ausgehen, moderne Kunst auf manchen ländlichen Kirchhof zu bringen. Viel zu selten dringen heute anspruchsvolle zeitgenössische Gestaltungen bzw. Werke auf die Friedhöfe außerhalb der Metropolen vor.

Kirchhöfe sind steinerne Geschichtsbücher, so wie auch die Kirchen. Die Grabsteine erzählen aus Familiengeschichten, aus der Kirchen-, Dorf- und Regionalgeschichte. Sie sind Fundgruben der Genealogie. Grabsteine berichten über Berufe und Stände, Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse, Biographien und ihre schicksalhafte Kreuzung mit der europäischen und Weltgeschichte. Sie erzählen über Kriege, Flucht und Vertreibung. Daher wäre wünschenswert auch ausgewählte Grabsteine aus der Zeit zu bewahren, aus der nun die letzten Zeitzeugen verschwinden.

Dem Verweilangebot auf umlaufenden Holzstegen inmitten von Wildblumenwiesen rund um die Rittergutskirche von Kleinliebenau, die Gräber von hohen regionaltypischen Hecken abgeschirmt, zieht Besucher, Wanderer, Radler oder Pilger an. Weil die historische Substanz verloren war, konnte man hier gänzlich neue Lösungen verwirklichen. Ganz anderes zeigt sich die Situation in Kötzschau. Dort sind historischen Spuren der Friedhofsanlage mit den typischen Büschen, Bäumen, Baumgruppen und Bodendeckern, mit sich schlänge Wegen, kleinen Alleen, Blickachsen oder Inseln der Verwilderung erhalten. Die auch hier wachsenden Freiflächen ordnen sich nahezu organisch in die Anlage ein. Manche Friedhöfe stehen auch längst wegen ihres Artenreichtums in Flora und Fauna unter Naturschutz. Wenn nun die Freiflächen auf den Friedhöfen größer werden, dann ist es an der Zeit nach neuen Lösungen, z. B. solchen mit einem kulturellen oder ökologischen Mehrwert zu suchen.

So machen wir das

In der Podiumsdiskussion kamen die Fördervereine der Kirchen von Vollenschier und Gütz zu Wort.

Die neugotische Kirche von Vollenschier gilt als eines der schönsten in der Altmark. Sie bildet mit dem umliegenden Friedhof und seiner Tor-Mauer-Anlage ein eindrucksvolles Ensemble. Es wurde 1878 nach Plänen von Baurat Conrad Wilhelm Hase vollendet. In den mehr als 100 Jahren ihres Bestehens verfiel die Kirche. Das konnten auch die engagierten Dorfbewohner zuletzt nicht mehr abwenden. Eindringendes Regenwasser zerstörte Teile der kunsthistorisch wertvollen Wandmalereien. Ganze Putzflächen stürzten in den Sakralbau.

Im Jahr 2000 entstand der Förderverein zur Rettung der Gutskirche. Das stetige Einwerben von Fördermitteln und Spendengeldern gehörte fortan zu seinen zentralen Aufgaben. Der erste Erfolg stellte sich 2005 mit der Restaurierung der Patriarchenloge ein. Dafür konnten Mittel aus dem europäischem LEADER-Programm akquiriert werden. Von Anfang an wurde dem Kirchhof mit Mauer und Toranlage das gleiche Gewicht im Bauensemble zugemessen. So galt es die 200 m lange Friedhofsmauer zu retten. Dafür entstand eine Kooperation mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. So schlug die Jugendbauhütte Quedlinburg 2016 und 2017 ihr Sommercamp auf den Wiesen vor dem verwaisten Schloss auf. Zwanzig junge Männer und Frauen im Freiwilligen Sozialen Jahr kamen mit Leiterin, Architekt und Bauleiter jeweils 9 Tage lang, um zu roden, zu entrümpeln, Mauerelemente zu bergen, den Neuaufbau und die Ergänzung von Mauerabschnitten zu besorgen.

Die Gemeinschaftsarbeit mit den Vereinsmitgliedern und Dorfbewohner*innen beförderte das Kennenlernen und gegenseitige Verstehen unterschiedlichster Lebensverläufe in Stadt und Land. Es wurde gemeinsam gearbeitet gekocht und gefeiert. Rege Anteilnahme am Camp der Jugendbauhütte zeigten die Medien mit ihrer Berichterstattung. Der Stendaler Bürgermeister und die Kreissparkasse Stendal leisteten großzügige finanzielle Unterstützung. Inzwischen gibt es Überlegungen, wie man mit dem Konzept Friedhof im Friedhof störungsfreie Kulturflächen gewinnen kann.

Auch die Geschichte der Gützer Kirche ist eine des Verfalls. In den 70er Jahren wurden die Kirche und der Kirchhof von Gütz aufgegeben. Die Kirche wurde ruinös und der Friedhof verwilderte. Das wollten Bürger von Gütz nach der Wende so nicht mehr hinnehmen. Es formierte sich eine Bürgerinitiative, die den unhaltbaren Zustand des ehemaligen Friedhofs in der Ortsmitte verändern und den Friedhof reaktivieren wollte.

Heute empfängt bereits auf der Straße ein Willkommensschild die Besucher. Der Kirchhof zieht seine Besucher sogleich in den Bann. Er ist weiträumig und klar gegliedert in einen Teil Kirchhof(so wird der aktive Friedhof bezeichnet) und in einen Teil Kirchgarten(so wird der Teil des Areals bezeichnet, der für Feste, Veranstaltungen, Kunst, ökologische Projekte und mehr)an unterschiedlichen Seiten des Kirchenschiffs angrenzt.

Mitten im Projekt der Wiederherstellung des Friedhofs wurde die Idee geboren, die Kirche wieder aufzubauen. Der Förderverein Gützer Kirche hat seit 1997 eine eindrucksvolle Bilanz vorgelegt. Die Ausstattung der Kirche mit Fenstern von Markus Lüpertz würdigen den Weg und das Resultat. Mit großer Konsequenz hat der Förderverein von Anfang an Kirche und Kirchhof als Einheit gedacht und entwickelt und mit ebensolcher Konsequenz wurden die Bauaufgaben mit dem Anspruch verknüpft, die Kirche zu einem offenen und lebendigen Ort zu machen. So entstehen Ideen und Planungen. Selbstverständlich sind die historischen Grabsteine in die Kirchenmauer eingelassen, Bänke laden unter uralten Bäumen zum Verweilen ein. Hinzugewonnene Flächen nehmen ein großes Bienenhotel auf. Inzwischen ist ein großer Kräutergarten im Kirchgarten angelegt. Er bildet das in der Kirche gefundene mittelalterliche Weihekreuz nach. Im Sommer bietet das Areal Platz für Bildhauersymposien und Pleinairs. Ein Heckentheater lädt zum Kammerspiel ein. Es ist ein guter Ort für die Bestatteten und ihre Angehörigen.

Pilger auf dem Lutherweg nehmen den (gast-)freundlichen Ort und die Offene Kirche dankbar an. Das in Gütz jährlich gefeierte Lutherfest zieht Gäste aus Nah und Fern an. Selbstverständlich bietet der Kirchgarten dann auch noch Platz für ein Festzelt. Am Ende ist alles ganz einfach. Eins ergibt sich aus dem anderen…

 

Der Handlungsdruck bei den Betreibern

Der Perspektive des Bewahrens und des Möglichen, wenn viele Kräfte mobilisiert werden können, muss die Perspektive der Betreiber zur Seite gestellt werden. Und die erzählt von Handlungsdruck.

Die Superintendentin Ch. Kellner berichtet über den Kirchenkreis Merseburg mit 160 Kirchen, 30 Pfarrhäuser, 98 Friedhöfen und 30 Friedhofskapellen.

Das Betreiben kirchlicher Friedhöfe droht in naher Zukunft vielerorts an seine personalen und ökonomischen Grenzen zu stoßen. Kirchgemeinden sind seit alters her Träger der Friedhöfe. Das bedeutet, dass ehrenamtlich engagierte Kirchenmitglieder in den Dörfern alle Aufgaben rund um das Bestattungswesen erfüllen. Diese Aufgaben können immer schwerer getragen werden, denn das Alter bewegt sich zwischen 70 und 80 Jahren. Praktische Hilfen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder 1-EUR-Jobs entfielen zu zwei Dritteln ersatzlos. Viele der ländlichen Kirchgemeinden werden gemessen an Mitgliederzahl und Finanzkraft schwächer. Auch Abmeldungen sind in Zukunft nicht ausgeschlossen.

Die Friedhöfe müssen seit jeher in ökonomischer Eigenverantwortung von den Kirchgemeinden betrieben werden. Ein Friedhofshaushalt muss sich selbst tragen(Kosten decken und Überschüsse erwirtschaften und ist innerhalb des Gesamthaushaltes nicht quer finanzierbar. Die Konsequenzen liegen auf der Hand, wenn es im Dorf durchschnittlich drei Bestattungen, bei Jahresgebühren von etwa 25 EUR, einer Bestandspflicht von 20 Jahren und stetig steigenden Kosten gibt. Wie also sollen Kirchgemeinden auf ihren Friedhöfen Kulturerbe und botanische Qualitäten bewahren, auf neue Bestattungsbedürfnisse wie Friedbäume reagieren oder gar einen Umbau bewältigen?

Wenn das Betriebsmodell des ländlichen kirchlichen Friedhofs an Grenzen stößt, dann muss darüber eine Diskussion eröffnet werden. Dazu gehört, auch Gespräche und Verhandlungen mit den Kommunen zu führen, denn Friedhofswesen ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Was die Kirche auch in Zukunft einbringen wird sind deren zentrale Kompetenzen: Verkündigung, Seelsorge und Trauerbegleitung.

Das mögliche Ende des Betriebsmodells kirchlicher Friedhof hat wie bereits beschrieben viele Vorboten. Ungenutzte Flächen, kritischer Pflegezustand, Qualität der Dienstleistung, Überlastung von Mitarbeitern, Beseitigung kostenintensiver Ausstattungen und kritisches Betriebsergebnis gehören dazu. Da jeder Friedhof zwanzig weitere Jahre betrieben werden muss, sind neue Regelungen zur schnellen Entwidmung von Flächen geboten. Flächen könnten so verwertet werden oder / und für andere Nutzungen frei gemacht werden.

 

Und dennoch ringen überall Aktive in den Kirchgemeinden und Friedhofsämtern um die Zukunft ihrer Friedhöfe. Sie ringen um gute Lösungen. Großes Interesse wurde formuliert, von anderen zu lernen auf der Basis von Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer und Exkursionen. Derartige Angebote sollten niedrigschwellig sein. Als Defizit tritt vielfach zutage, dass die Landeskirche seit geraumer Zeit keine Beratungsstelle zu strategischen und konzeptionellen Fragen der Friedhofsentwicklung vorhält.

Mit Interesse wurde das Wirken von Fördervereinen in den Kirchen aufgenommen, die in kulturhistorischen und ökologischen Fragen sowie bezogen auf die Flächennutzung satzungsgerechte Interessen, aber auch eigene Möglichkeiten der Mittelbeschaffung haben. Sie können Projekte realisieren, die über die Möglichkeiten des Wirtschaftsbetriebs Friedhof mit seinen Arbeitswerkzeugen Friedhofssatzung, Gebührenordnung, Bau- und Pflegeplan, Verkehrssicherung u.a. hinausgehen.

Nach dem Willen der Tagungsteilnehmer soll die begonnene Diskussion fortgesetzt und verstetigt werden sowie geeignete Lösungen für den Transfer von Ideen und Know How gefunden werden.

„Wenn der Friedhof stirbt…“ Das Dichterwort von Reiner Kunze stand am Anfang der Tagung. Am Ende wissen wir, dass der Friedhof neue Fürsprecher finden kann, die seine Daseinsgründe erkennen, bewahren und befördern.

*Am 28. April 2017 fand in Naumburg  die gleichnamige Fachtagung des Verbandes der Kirchbauvereine Sachsen-Anhalt e.V. statt. Der VDKSA dankt den Vortrags- und Podiumsgästen: Dr. H.-J. Döring/ Umweltbeauftragter der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, Heike Tenzer/ Landesamt für Archäologie und Denkmalspflege Sachsen-Anhalt, Superintendentin Ingrid Sobottka-Wermke/ Kirchenkreis Naumburg-Zeitz, Superintendentin Christiane Kellner/ Kirchenkreis Merseburg, Dr. Bärbel Chrapa/ Förderverein Vollenschierer Kirche  e. V., Friedrich Brinkmann/ Förderverein Gützer Kirche e.V., behnelux/ Halle, Architekturbüro Sauer/ Köthen und Dieter Heck/ Stumsdorf